• Peter Eduard von Ströhling, Bildnis Carl Joachim Friedrich Ludwig Achim von Arnim, 1803/04, Öl auf Leinwand Ludwig Emil Grimm, Bildnis Clemens Brentano, 1837, Radierung (Ausschnitt) © Goethe-Haus Frankfurt / Freies Deutsches Hochstift

  • Anton Radl, Ansicht von Frankfurt am Main vom Schaumainkai her, um 1820, Gouache Der Startpunkt … © historisches museum frankfurt, Foto: Horst Ziegenfusz

  • Johann Adolf Lasinsky, Blick auf das Rheinufer mit Ehrenbreitstein, 1828, Öl auf Leinwand … und das Ziel. © akg-images

Legendär ist sie, die Rheinreise der Schriftsteller Clemens Brentano und Achim von Arnim. Zwei junge Männer, 23 und 21 Jahre alt, ‚erfanden’ im Juni 1802 die Rheinromantik, beschlossen eine Werkgemeinschaft und bildeten das wohl romantischste Freundespaar der Epoche. Naturentdeckung, Poesie als Leben und die zur Liebe gesteigerte Kunst der Geselligkeit – in zwei Sommerwochen loteten sie Themen der Romantik aus. Die Kulisse entlang der damaligen deutsch-französischen Grenze ist seither der Weg zur Suche des Subjektiven. „Der tiefe Rhein trägt jeder Sehnsucht Traum“, lautet ein Vers aus einem Gedicht Arnims. Alle Pläne gemeinsamen Dichtens und Lebens wurzelten dort. Der schwarzlockige, zauberische Wortmusiker Brentano, ein Vagabund mit inneren Geisteskämpfen, deutete mit Gitarre dem Gefährten die Gegend aus. Edel, mild und ernst der preußische Adlige Arnim, der keine Etappe seiner damaligen Kavalierstour so tief fühlte. In Briefen – durchsetzt von Lyrik – wird die Tour zwischen Frankfurt und Koblenz Symbol einer innigen Beziehung. Brentano gab sich hin, „wenn ich mit dir bin, so fühle ich mich ergänzt und glüklich“, und verlor stückweise die Realität an Fiktion. Arnim konnte trennen. Den zum Weiterdichten gemachten Liedanfang „Es sezten zwei Vertraute / Zum Rhein den Wanderstab, / Der braune trug die Laute / das Lied der blonde gab,“ (1803) nahm er nicht auf. Ihre frühe Korrespondenz kämpfte gegen das Vergessen an. Doch zu sehr konstruierte sie die Freundschaft. Die Reise wurde „immer mehr zum Rheinmärchen“, sagt der Romantik-Experte Holger Schwinn. Nur in kurzen Phasen wieder vereint, arbeiteten sie später im Duett, Arnim in der Pose „wie ein Dichter“, Brentano „selber wie ein Gedicht“ (Joseph von Eichendorff). Die „Liederbrüder“ des Heidelberger „Wunderhorn“-Projektes verbanden sich genial, bis Gegensätze aufbrachen.

Referenzen:

Clemens Brentano
Achim von Arnim
VERLAUF DER REISE:
RR 1: Abfahrt in Frankfurt
RR 2: Rüdesheim
RR 3: die Wallfahrt
RR 4: der Ostein
RR 5: Binger Schlucht
RR 6: auf dem Kahne
RR 7: Loreley
RR 8: Abschied in Koblenz
Rheinromantik - eine Sonderform der Romantik
Die abwechslungsreiche Landschaft am Mittelrhein erfüllte über Jahrhunderte die Wünsche zahlloser Künstler und Literaten. Auf Schritt und Tritt Motive. Ruhige Gewässer und Stromschnellen, Felsen, Klippen, Schluchten, Weinberge, Auen, Wiesen, Burgen und Ruinen, Kirchen, Klöster und Kapellen, Wälder, schmucke Siedlungen, Parks und herrliche Aussichten. Als man im 18. Jahrhundert raue, wilde Landschaften als schön zu entdecken begann, wandelte sich auch der Blick auf die ungezähmten Ufer- und Flusslandschaften des Rheins. Clemens Brentanos und Achim von Arnims Wanderung den Strom entlang waren erste Schritte der Verklärung. Friedrich Schlegels Überlegungen zum „geschlossenen Gemälde“ dieser Gegenden festigten die neue Auffassung. Nun wurde es idyllisch: Die Rheinromantik ist genau genommen die Romantisierung einer Landschaft.

Titelblatt des 1. Bandes der Heidelberger Erstausgabe 1806-1808 von "Des Knaben Wunderhorn"
© H.-P. Haack

"Des Knaben Wunderhorn"
Ein Herzstück der Rheinromantik ist die Sammlung ‚alter Lieder’ in „Des Knaben Wunderhorn“ (1805-1808). Sie wird oft als Ergebnis der legendären Rheinreise Clemens Brentanos und Achim von Arnims im Jahr 1802 betrachtet: Als hätten die beiden ‚Herzensfreunde’ unterwegs ihr Material eingesammelt. Tatsächlich aber schöpften sie vorrangig aus schriftlichen Quellen und ließen sich ‚Lieder’ zutragen. Deren Ursprünge reichen vom Mittelalter bis in die Zeit um 1800. Bei der Redaktion griffen beide kräftig in das angeblich mündlich tradierte Volksliedgut ein oder dichteten selbst. Die sodann manipulierten, im Ton romantischen 723 Texte sollten das Erbe deutscher Dichtkunst wiederbeleben. Und einer kulturellen Identität der Deutschen Vorschub leisten. Und so schüttete das in Heidelberg veröffentlichte ‚Wunderhorn’ eine Fülle von Motiven aus, die eine enorme Wirkung auf die Lyrik entfalteten. Lobpreis kam auch von ganz oben: Johann Wolfgang von Goethe war entzückt.

Zu Liedern gehören Melodien:

Die Zeitgenossen von Arnims und Brentanos fassten das "Lied" nicht nur als musikalische Form, sondern auch als Gedicht auf. Aber, wie klingen eigentlich die Lieder aus "Des Knaben Wunderhorn"?

Von den Bänden der Sammlung enthält lediglich der vierte, ergänzende Vertonungen von 24 Liedern. Dieser 1810 in Heidelberg veröffentlichte Band überliefert Noten aus unterschiedlichen Quellen.

Der Leiter des Brüder Grimm-Hauses, Burkhard Kling, hat eine CD mit diesen Liedern in den alten Melodien herausgegeben (musikalische Bearbeitung: Bertolt Breig).

Sie sind ein seltener Hörgenuss und gehen auf ein Konzert in Steinau im Jahr 2013 zurück: "Will ich in meinen Garten gehen …" ist verknüpft mit erzählten Märchen der Brüder Grimm.

Die CD ist erhältlich über das Brüder Grimm Haus in Steinau (9,80 €) oder bei der Wernerschen Verlagsgesellschaft (12,80 €).

© Brüder Grimm-Haus, Steinau

Heine lobte "Des Knaben Wunderhorn" in der "Romantischen Schule"
„Dieses Buch kann ich nicht genug rühmen; es enthält die holdseligsten Blüten des deutschen Geistes, und wer das deutsche Volk von einer liebenswürdigen Seite kennenlernen will, der lese diese Volkslieder.“ Ergriffen besang der Exilant Heinrich Heine die Sammlung „Des Knaben Wunderhorn“ Achim von Arnims und Clemens Brentanos in seiner Schrift „Die romantische Schule“ (1836). Ja sogar den Duft deutscher Linden roch er aus den Buchseiten. An dieser Stelle, im Dritten Buch, konnte der Leser von Heines Streit- und Programmwerk „Die romantische Schule“ länger aufatmen. Endlich etwas Erfreuliches nach viel Häme und schroffer Polemik! Gefühlig nahm der Vollender und Überwinder der Romantik, als der Heine gesehen wird, die „Kunstpoeten“ Brentano und Arnim für den Zauber ihres „Denkmals“ von seiner allgemeinen „Abrechnung“ aus. Denn Heine hatte ansonsten viele Nobilitäten unter den deutschen Autoren tendenziell, beißend streitsüchtig und auch mit Geschmacklosigkeiten angegriffen. Wenig Treffendes und Sympathisches findet sich in der Publikation, die aus einer Artikelserie in Paris entstanden war. Sie sollte nach Madame de Staëls „De l’Allemagne“ (1813) die französische Unkenntnis über die Literatur des Nachbarlandes beseitigen. 1833 erschien Heines Karikatur zweiteilig in Buchform noch unter dem Titel „Zur Geschichte der neueren schönen Literatur in Deutschland“. Im Detail über „Des Knaben Wunderhorn“: Es liegt in diesen Volksliedern ein sonderbarer Zauber. (…) In diesen Liedern fühlt man den Herzschlag des Volks. Hier offenbart sich all seine düstere Heiterkeit, all seine närrische Vernunft. Hier trommelt der deutsche Zorn, hier pfeift der deutsche Spott, hier küsst die deutsche Liebe. Hier perlt der echt deutsche Wein und die echt deutsche Träne. Letztere ist manchmal doch noch köstlicher als ersterer; es ist viel Eisen und Salz darin. Welche Naivität in der Treue! In der Untreue welche Ehrlichkeit!
Mahler vertont "Des Knaben Wunderhorn"
In den Ohren des Literaturwissenschaftlers und Romantik-Spezialisten Heinz Rölleke hat der Komponist Gustav Mahler (1860-1911) eine Auswahl von Liedern aus „Des Knaben Wunderhorn“ genial vertont. Zum Glück, denn nach Röllekes Beobachtung werde das „Wunderhorn“ in den Medien nur genannt, wenn Mahlers Werke auf dem Programm stehen. Die Sammlung selber kenne man allgemein nur noch dem Namen nach. Für Mahler war „Des Knaben Wunderhorn“ dagegen eine immer wieder kehrende Inspirationsquelle. Zehn Jahre lang: Das Epische, das Erzählende der Gedichte lag dem Österreicher nahe und er wählte über 20 Lieder aus. Auch dieses hier: Bald gras’ ich am Neckar, bald gras’ ich am Rhein; bald hab’ ich ein Schätzel, bald bin ich allein! Was hilft mir das Grasen, wenn d’Sichel nicht schneid’t; was hilft mir ein Schätzel, wenn’s bei mir nicht bleibt! So soll ich denn grasen am Neckar, am Rhein, so werf’ ich mein goldenes Ringlein hinein. Es fließet im Neckar und fließet im Rhein, soll schwimmen hinunter in’s Meer tief hinein. Und schwimmt es, das Ringlein, so frißt es ein Fisch! Das Fischlein soll kommen auf’s König’s sein Tisch! Der König tät fragen, wem’s Ringlein sollt’ sein? Da tät mein Schatz sagen: „Das Ringlein g’hört mein!“ Mein Schätzlein tät springen Berg auf und Berg ein, tät mir wied’rum bringen das Goldringlein mein! Kannst grasen am Neckar, kannst grasen am Rhein! Wirf du mir nur immer dein Ringlein hinein!
So hört sich ein Freundschaftsgedicht (von 1803) an:
Anton Radl
Johann Adolf Lasinsky