Es ist ein schöner Fall von romantischer ‚Sympoesie’: das gemeinsame Dichten eines Großen der Literatur und einer lange Zeit nur als Muse gewürdigten Frau. Bescheiden hütete Marianne (von) Willemer, die Frau eines Frankfurter Bankiers, Schriftstellers und Geheimrates, das Geheimnis, Autorin besonders schöner Gedichte von Johann Wolfgang von Goethes „West-östlicher Divan“ (1819) zu sein. „Sollst mir ewig Suleika heißen“, ließ der Dichterfürst „die Kleine“ in Versen wissen, die in sein von orientalischer Lyrik beflügeltes Werk eingehen sollten. Aus sich selbst machte er „Hatem“, ihren reiferen Geliebten. Was später gedruckt war, hatte das Leben glücklich-unglücklich gefügt: Um 34 Jahre getrennt, verfielen sie im Herbst 1815 einander. Ihre Liebesakte gingen über Umarmungen und einen Kuss, in Frankfurt und in Heidelberg, nicht hinaus: Beide waren im Stand der Ehe. So gewandeten sie Gefühle in wechselseitige, orientalisierende Poesie. Es entstand das erste solche Rollenspiel der Literaturgeschichte. Ohne zu fragen schlug Goethe Mariannes Liebeslyrik, darunter der „Ostwind“ und der „Westwind“, seinem „Divan“ zu. Darum hing sie an ihm, denn Goethe nahm die Vielbegabte ernst. Die uneheliche Tochter einer Schauspielerin – anmutig, zierlich, heiter und so lebensvoll – stand früh auf der Bühne, sang und tanzte, trat auch als Gitarrenvirtuosin auf. Johann Jakob (von) Willemer (1760-1838) hatte Marianne ihrer um Lebensunterhalt ringenden Mutter ‚abgekauft’ und 16jährig adoptiert. Ohne je von ihr geliebt zu werden, heiratete er sie. Nach 1815 musste er sie für immer mit seinem Jugendfreund Goethe teilen.

Referenzen:

Willemer Häuschen
Gerbermühle