Hoch ragen die Türme und Kuppeln einer fremdländischen Architektur in den Himmel, beschienen von gleißendem Licht. Malerisch staffeln sich Gebäude und Mauern, umgeben von felsigem Gestein, grünen Palmen und blauem Meer. Im spannungsvollen Miteinander von detaillierten und nur summarisch angedeuteten Partien verewigte Friedrich Maximilian Hessemer seine „Vision einer islamischen Stadt“. Das Aquarell des in Darmstadt ausgebildeten Architekten und späteren Baukunst-Professors an der Frankfurter Städelschule (vor 1878 noch im Vrints-von-Treuenfeld-Palais Neue Mainzer Str. 47-51) besticht durch exotischen Reiz. Dies war ganz im Sinne der zeitgenössischen Orientbegeisterung. Seit 1824 erfreuten sich besonders die ins Deutsche übertragenen Erzählungen „Tausendundeine Nacht“ großer Popularität. Schon um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert hatten sich Autoren wie Johann Gottfried Herder und Friedrich Schlegel mit Schriften und Philosophien dieses Kulturraums auseinandergesetzt. Vorstellungen von fremden Lebenswelten entzündete auch Bildmaterial von Expeditionen, etwa die von Napoleon Bonaparte initiierte Sammlung „Description de l’Égypte“ (Beschreibung Ägyptens). Im Unterschied zu vielen Zeitgenossen konnte Hessemer auf eigene Erfahrung zurückgreifen: 1829 war er über Malta und Kreta nach Ägypten gereist, um den Ursprung des Spitzbogens zu erforschen. Er fertigte eine Vielzahl dokumentarischer Zeichnungen arabischer Baudenkmäler an, darunter Studien von Innenräumen und Ornamenten, die sich heute im Städel Museum befinden. Hessemer war fasziniert von Kairo und notierte im Reisetagebuch: „Wie wunderbar erregt, wie getheilt zwischen großem Staunen und hoher Bewunderung steh ich in dieser Stadt. – Welch eine Welt, wie soll ich sie schnell genug fassen?“ Die Schönheit der Stadt schilderte er als „Meer […] von Häusern, Kuppeln und Thürmen“. Die „Vision einer islamischen Stadt“ weist Parallelen zu dieser Beschreibung auf. Elemente der islamischen Baukunst sind pittoresk angeordnet. Seine Eindrücke verdichtete Hessemer und erweiterte sie um fiktive, konstruierte Bestandteile zu einem subjektiven Idealbild. Es legt real Gesehenes, in der Erinnerung Verklärtes und exotistische Fantasien ineinander.

Referenzen:

Friedrich Maximilian Hessemer
Orientbegeisterung
Was bedeutet Friedrich Schlegels Satz: „Im Orient müssen wir das höchste Romantische suchen“? Rief der Schriftsteller und Philosoph 1799 etwa dazu auf, Länder und Leute im weiten Osten genauer kennenzulernen? Weit gefehlt. Schlegel hatte Indien im Blick und lernte eine alte Sprache. Sein Interesse am Sanskrit galt versunkenen, schriftlichen Spuren der Menschheit und ihren Mythen. Denn im vorderen und hinteren Orient - das waren vor allem Ägypten, Persien, Arabien, China und Indien – erkannte er Ursprüngliches, Harmonie, Religiöses, alte Weisheit, Exotisches und vor allem poetische Kraft. Seit längerer Zeit schon stand der Orient im europäischen Gesichtskreis. In Literatur, Musik, in den Anfängen wissenschaftlicher Orientalistik und Übersetzungen, mit Reiseberichten und der Erzählsammlung „Tausendundeine Nacht“. Romantische Dichter und Denker wurden „geistige Morgenlandfahrer“ (Rüdiger Safranski). Im Idealbild des Orients entfalteten sie ihre Kunstkonzepte und die neue „Universalpoesie“ mit der Einheit von Dichtung und Leben. Es war zugleich Mittel für Gegenwarts- und Kulturkritik – aus Unbehagen an ihrer entzauberten, modernen, (vor)industriellen Zeit. Nicht reale geographische Räume, Völker und Kulturen, suchte man auf, sondern eigentlich nur das eigene Innere. Dafür konstruierten Romantiker den Orient jeweils neu. Ausgerüstet mit Accessoires übertrugen sie Sehnsüchte und Träume ins Fremde. Sie vereinnahmten ästhetisch und poetisch, manchmal auch aus chauvinistischer Überlegenheit. In Novalis’ „Heinrich von Ofterdingen“ ist der Orient ein utopisches „Land der Poesie“. Wilhelm Heinrich Wackenroder spiegelte Kunst und Künstlerdasein in der „Heimat alles Wunderbaren“. Dort sah auch E.T.A. Hoffmann den geistigen Ort des herumirrenden Romantikers. Karoline von Günderrode verpflanzte ins Morgenland den idealen Ort der Liebe. An anderer Stelle griff sie jedoch, wie Bettina von Arnim, aufs Orientalische zurück, um politische und gesellschaftliche Probleme darzustellen.
Romantik Rhein Main