Eduard Wilhelm Poses große Campagnalandschaft entstand wohl nach der Rückkehr des Malers nach Frankfurt aus Italien, wo er von 1842 bis 1845 lebte und arbeitete. Er führte alles auf, was den zu dieser Zeit längst klassisch gewordenen Typus „Campagnalandschaft“ definierte und beliebt gemacht hatte. Der Blick geht von erhöhtem Standort über die weite Ebene. Hier dominiert ein warmer, erdiger Farbklang, der von den Tönen des des Bodens, der Steine und Felsblöcke und Büschen und Bäumen herrührt. Er kontrastiert mit frischem, kühlen Blauweiß der fernen Sabiner Berge und des Himmels mit seinen gewaltigen Wolkenbergen. Ihr Weiß trübt sich in einem Wolkenbruch, der rechts niedergeht. Hell beleuchtete und verschattete Partien überziehen die Landschaft. Auf der Trennlinie zwischen rötlicher Erde und dem Blau der Berge und des Himmels setzte Pose die Überreste des antiken Aquädukts der Aqua Claudia. Es vermittelt zwischen Nähe und Ferne, Gegenwart und Vergangenheit. Poses Campagna besticht durch die Kategorie der Größe. Nicht nur im Format. Die Landschaft ist tief und weit, hoch überwölbt von Himmel und Wolken. Die kleinen Schafe einer Herde und ihr winziger Hirte steigern die Dimensionen der Felsblöcke und des einzelnen Baumes. Größe wird auch in der gewaltigen Natur vorgestellt, die sich im nahenden Unwetter manifestiert und den Menschen unbedeutend wirken lässt. Ebenso im Verweis auf die Antike, deren Baukunst selbst ruinös noch den Eindruck eines vergangenen Weltreiches vermittelt und die Schäferhütte rechts der Bildmitte provisorisch aussehen lässt. Solche Dimensionen, antike Ruinen, Berge und Schäfer erinnern an ideale Campagnalandschaften, wie sie etwa der Klassizist Jakob Philipp Hackert malte. Pose gestalte Neues aus diesen Elementen. Seine Natur hat durchaus bedrohliches und unbequemes Potential, die Vegetation im Vordergrund ist struppig, der Pfad holprig. Weder tanzen Poses Hirten, noch musizieren sie. Sie leben arm und sind der Natur ausgesetzt. Wild definiert sich Schönheit neu: Sie ist eine persönlich, mit allen Sinnen erfahrbare reale Welt, die kein Arkadien sein muss, um zu berühren.

Referenzen:

Eduard Wilhelm Pose
Sehnsucht nach Italien
„Man merkt hier gar nicht dass man in Italien ist“, schrieb der Maler Johann Heinrich Schilbach 1823, "wen einem nicht das herrliche Glima und die Natur" daran erinnerten. In Rom machten die Deutschen bald „eine ganze Nation für sich aus“. Ein Aufenthalt in Italien war zu Schilbachs Zeit geradezu zwingend geworden. Immer mehr junge Künstler kamen aus dem Norden ins Land der Sehnsucht. Wer es sich leisten konnte, studierte vor Ort antike Denkmäler und vor allem Landschaften. „Hundertmal rufe ich aus, wie kann die Natur nur so schön seyn!“, begeisterte sich August Lucas. Vor ihm beschied auch Carl Philipp Fohr: „Die Natur ist über alles erhaben.“ „Himmel und Erde und Meer“, wusste bereits der Philosoph und Kunsttheoretiker Carl Ludwig Fernow 1803, seien in Italien schöner, gefälliger und edler als anderswo. Ideale Landschaften suchten Romantiker allerdings nicht, sondern atmosphärische Wirkungen dieses Arkadiens (auf sie selbst). Landschaftsmalerei war ihnen zur wichtigsten künstlerischen Gattung geworden. Das Italienweh hatte lange zuvor Johann Wolfgang von Goethe mit dem Lied „Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn“ entzündet. Später machte seine „Italienische Reise“ die Reize des Landes zum Bildungsgut. Auch ein frühromantischer Künstlerroman Ludwig Tiecks führte den Helden in den Süden. Seit der Renaissance pilgerten bildende Künstler über die Alpen. Anfang des 19. Jahrhunderts waren sie besonders von Venedig, Florenz und Rom magisch angezogen. Man war frei von Akademie- oder Hofzwängen, lebte und arbeitete im Austausch. Eine besondere Gruppe unter den Deutschen bildeten die „Nazarener“ in Rom. Dort, an Raffaels ehemaliger Wirkungsstätte, leuchtete ihnen der altitalienische Meister für die religiöse Kunsterneuerung voran.
Romantik Rhein Main