• Alfred Rethel, Die Versöhnung Kaiser Ottos I. mit seinem Bruder Heinrich, 1840, Öl auf Leinwand © historisches museum frankfurt, Foto: Horst Ziegenfusz

Alfred Rethels großformatiges Historienbild stellt ein prägnantes Beispiel profaner Historienmalerei der Nazarener dar. Das im Auftrag des Frankfurter Kunstvereins 1840 entstandene Werk schildert eine Begebenheit der ottonischen Geschichte: die Unterwerfung Heinrichs unter seinen älteren Bruder Kaiser Otto I. zu Weihnachten des Jahres 941. Rethel, der 1836 nach Frankfurt gekommen war, schuf eine Szene von heroischem Pathos und monumentaler Wirkung. Im Hintergrund verweisen die Kaiserpfalz und die St. Leonhardskirche, die im 10. Jahrhundert noch nicht gebaut war, auf die Stadt als Ort der Handlung. Die Hauptfiguren sind wie auf einer Bühne inszeniert, groß ihre Gesten und bedeutungsvoll jede Bewegung: Ein historischer Moment in symbolischer Verdichtung. Rethels Absicht ist moralisch-bildend. Nach Heinrichs Beteiligung an einer Verschwörung gegen den Kaiser mit missglücktem Attentatsversuch setzte man ihn in der Pfalz von Ingelheim fest. Die meisten seiner Verbündeten wurden hingerichtet. Heinrich entkam aus der Haft. Im Pilgergewand kniet der Abtrünnige, der noch Fesseln an den Händen trägt, barfüßig vor dem Bruder und schaut respektvoll auf. Entschlossen, mit einer kraftvollen Gebärde tritt der prächtig gekleidete Otto auf ihn zu. Er reicht die rechte Hand zur Versöhnung, während er die Linke mit dem Verweis auf göttliche Macht und Fügung zum Himmel erhebt. Auch der aufwärts gerichtete Blick des greisen Mannes neben ihnen verstärkt den Eindruck eines gottgewollten Schicksals. Ein geometrisch klares Bildgefüge, satte Farben und die fokussierende Erzählweise zeichnen das Gemälde aus. Die Strenge der Nazarener verbindet sich mit realistischen Momenten der Schilderung. Die Szene beschwört die Idee eines starken, mittelalterlich-christlichen Kaisertums und geeinten Reiches. Sie besaß im Vormärz mit den Bemühungen um nationale Einigung besondere Aktualität. Mit künstlerischen Mitteln hielt Rethel seiner Zeit und der Gesellschaft ein „exemplum“ vor, um „für den Jammer der Gegenwart“ zu entschädigen.

Referenzen:

Alfred Rethel
Kunst soll erziehen
„Die wahre echte Kunst ist ein Seegen des Himmels – der Träger derselben hat zunächst die Aufgabe, das Kleinod gegen den Einfluß, den Schmutz der Welt zu schützen, dann, durch die Mittel, die ihm gegeben sind, suchen, dasselbe auf eine würdige Weise auszubilden, und so, verständlich gemacht einen durchaus moralisch, streng sittlichen Einfluß auf die Bildung der Mitmenschen auszuüben. – Dies ist meiner Ansicht nach der höchste Zweck des Künstlers.“ (Rethel 1841 an seinen Bruder Otto)
Die Nazarener
Auf einem Monumentalbild Friedrich Overbecks im Frankfurter Städel reihen sich der italienische Renaissance-Maler Raffael und sein deutsches Pendant Albrecht Dürer unter das Bildpersonal. In dem Gemälde „Triumph der Religion in den Künsten“ (fertiggestellt 1840) durften die Fixsterne der „Nazarener“ nicht fehlen. Mit ihnen hielt man ein verklärtes christliches Mittelalter hoch, als sich die Einheit von Kirche und Staat in Deutschland verflüchtigte. Die Nazarener stellen eine Strömung der Romantik von mehreren Künstlergenerationen mit echter „Corporate Identity“ dar. Raffael und Dürer imitierend, erhoben sie Gottes Verherrlichung zum Programm. Ein Impuls, der auch auf Wilhelm Heinrich Wackenroders frühromantische „Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders“ (1797) zurückgeht. Die Bewegung zu dieser literarischen Kunstbeseelung war geboren, als sich der Student Franz Pforr gegen die Zumutung erstarrten, klassizistischen Lehrbetriebs an der Kunstakademie in Wien wehrte. Mit Overbeck und religiös Gleichgesinnten schmiedete er 1809 einen Club: Der „Lukasbund“, angelehnt an den Heiligen Lukas, der (in der Legende) die Madonna malte. Der Schritt markiert die früheste Gruppen-Abspaltung der Kunstgeschichte. Im Jahr darauf bildeten sie in Rom eine Klostergemeinschaft malender ‚Brüder’-Freunde und damit eine erste Künstlerkolonie. Den Spottnamen „nazareni“, gemünzt auf ihre jesusgleiche Mittelscheitel-Frisur, trugen sie stolz. Die Nazarener, die manche belächelten und die doch später den deutschen Kunstbetrieb eroberten, waren innig-fromm und gefühlig. Die scheinbare Einfalt ihrer treuherzigen Kunst entsprang strengem, puristischem Kalkül. Lauter Paradoxien: In der Rückkehr mutet ihr Protest modern an. In der Hingabe an den Glauben steckte Behauptung von Identität. Im restaurativen Bestreben lag zugleich patriotischer Aufbruch.
Romantik Rhein Main