Der Roßmarkt, die Kalbächer Gasse, Sachsenhausen, vor den Toren von Frankfurt. Schauplatz des Kunstmärchens „Meister Floh“ ist die Freie Stadt am Main. Aber auch ganz Reales spielte sich dort ab. In Frankfurt ließ E.T.A. Hoffmann, der Jurist und künstlerische Tausendsassa, vor den Augen der Leser ein weises Insekt die Geschicke der Hauptperson lenken. Eine vermaledeite Geschichte letztlich, die den Autoren empfindlich stach: Sie rief von Berlin aus die preußische Zensur auf den Plan. Hoffmann hatte dort einmal einer Kommission zur Verfolgung angeblicher Demagogen im Nachgang der Karlsbader Beschlüsse (1819) angehört und Prozessakten für „Meister Floh“ verwendet. In der Erzählung gerät der Bürger Peregrinus Tyß unter Verdacht, eine Frau entführt zu haben, die niemand vermisst. Dennoch setzt der Geheime Hofrat Knarrpanti – die Karikatur des erbosten Berliner Polizeichefs von Kamptz – alles an Tyß’ Verhaftung. Als der Frankfurter Senat mangels ‚corpus delicti’ den Zugriff verweigert, versetzt Knarrpanti: „... sei erst der Verbrecher ausgemittelt, sich das begangene Verbrechen von selbst finde“. Hoffmann hatte seine Amtsverschwiegenheit in satirischer Absicht gebrochen: Die damalige Schnüffelei unter freiheitlich Gesinnten ätzte ihn an. So kam das Märchen, dessen Manuskripte der Frankfurter Verleger Friedrich Wilmans aushändigen musste, 1822 nur in kastrierter Gestalt heraus. Zu sehr standen in „Meister Floh“ Bespitzelung und Willkür der Restaurationszeit am Pranger. Das Erscheinen erlebte Hoffmann noch. Doch er war schon todgeweiht, mit Lähmungen an den Lehnstuhl gefesselt. Sein Tod ersparte ihm das Disziplinarverfahren.

Referenzen:

E.T.A. Hoffmann
"Meister Floh"
In einem Bildchen des Illustratoren Stefan Mart setzt ein Floh seinem Freund Peregrinus Tyß ein ‚Gedankenmikroskop’ ins Auge. Ein wirres Märchen-Schicksal verbindet den langbeinigen Parasiten mit diesem Menschen, der mittels Zauberglas den Leuten „durch das Gehirn schauen“, aber dabei vor allem sich selbst kennenlernen kann. Die Fabel erdachte der realistische Fantast E.T.A. Hoffmann, der einst in seiner Berliner Zeit unterhaltende Floh-Dompteure und ihre zierlich exerzierenden Insekten auf den Straßen erlebte. Vor der Lektüre muss man wissen: Die handelnden Personen um den Frankfurter Tyß besitzen zwei oder drei Existenzen und agieren in aufgehobener Zeitdauer. Simultan erscheinen sie in Vergangenheit und Gegenwart und dort ist das Einfallstor für alle Einfälle und Unmöglichkeiten. Die Liebestollheit für ein bildhübsches Frauenzimmer – die Prinzessin Gamaheh, alias Aline, alias Dörtje Elverdink – treibt das komplexe Geschehen mannigfaltiger Beziehungen an, in das Tyß verwickelt wird. Die Schöne ist hinter Meister Floh her, der für die Suche nach einem magischen Karfunkel eine wichtige Rolle spielt. Das hochgebildete, kultivierte Insekt, das wie alle Tiere in Hoffmanns Werk einen Ehrenplatz einnimmt, erkennt in dem anfangs scheuen Tyß den Zielpunkt der ganzen Geschichte. Er hilft ihm aus verschlossener Persönlichkeit heraus, hinein in eine überirdische Traumwelt. Tyß selbst ist der Karfunkel und - man wird den Eindruck nicht los - das Alter ego von Hoffmann.
Karlsbader Beschlüsse
Am 20. September 1819 nahm der Bundestag in Frankfurt eilig die „Karlsbader Beschlüsse“ an. Sie reglementierten das öffentliche politische Leben mit polizeistaatlichen Mitteln. Vier Gesetze, die Exekutionsordnung, das Universitätsgesetz, das Presse- und das Untersuchungsgesetz, griffen dabei tief in die Rechte der Einzelstaaten des Deutschen Bundes ein. An verschiedenen deutschen Höfen herrschte Revolutionsangst. Die Repressalien bewirkten ein Verbot von schriftlicher Meinungsfreiheit und von Burschenschaften. Pressezensur war allgegenwärtig. „Demagogen“ verfolgte man für liberale Tendenzen. Universitäten wurden überwacht, in denen es auch Berufsverbote gab. Turnplätze mussten schließen, von denen eine nationale Bewegung ausging.
Skandal bei Wilmans