Das war im Berufsleben des anständigen Mannes noch nie vorgekommen: Ein Autor brachte ihn in politische Schwierigkeiten. Der „erste Verleger“ der jungen Romantiker-Generation, Friedrich Wilmans, musste vor dem Frankfurter Polizeiamt Rede und Antwort stehen. Redlich und solide, so wird Wilmans stets geschildert, und nun drohte seinem Haus im Januar 1822 ein Verbot der geplanten Märchenerzählung „Meister Floh“ von E.T.A. Hoffmann. „... die ganze Verhandlung war doch peinlich für mich.“ Ein preußischer Gesandter des Berliner Polizeidirektors von Kamptz, der sich durch Passagen verunglimpft fühlte, hatte zuvor den Senat der Stadt um Amtshilfe ersucht. Man beschlagnahmte das Manuskript mitsamt der noch nassen ersten Druckbögen. Doch die ganze Verlegenheit war gerechtfertigt: Hoffmann hatte verbotenerweise aus Justiz-Akten entlehnt und in der Figur des imbezilen Geheimen Hofrates Knarrpanti den Polizeichef lächerlich gemacht. Vergeblich wehrte sich der todkranke Autor noch brieflich. Was für ein „abscheulicher Tort“ sei ihm widerfahren, „niederträchtige Spionage“ und „Klatscherei“. Eine Rechtfertigungsschrift erschien. Die ins Märchen gebundene Satire (auf die Zeiten von Demagogen-Verfolgungen) sollte „den lachlustigen Leser“ ergötzen. Nur mit Streichungen durfte „Meister Floh“ im April 1822 bei Wilmans erscheinen. Erst 1906 kamen diese Partien im Geheimen Staatsarchiv in Berlin wieder ans Licht. Zwei Jahre später erschien Hoffmanns Geschichte erstmals vollständig.

Referenzen:

Verleger Wilmans
Der aus Bremen stammende Friedrich Wilmans (1764-1830), Verleger und Kunsthändler, gilt als der erste Verleger der Romantiker. Aufgeschlossen bereitete er manch’ junger Dichtung um 1800 den Weg, zum Teil über Clemens Brentano vermittelt. Seine Buchhandlung in Frankfurt war zuerst neben dem Gasthaus „Schwarzer Bock“ auf der Sachsenhäuser Elisabethengasse angesiedelt, später im Zentrum bei der Katharinenkirche auf der Zeil. Nachdem er Brentanos schwierigen Roman „Godwi“ verlegt hatte, erschienen bei Wilmans in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts Werke Friedrich Schlegels, Ludwig Tiecks, Jean Pauls, Friedrich Hölderlins, der Karoline von Günderrode oder E.T.A. Hoffmanns. Zu seinem erfolgreichen Verlagsprogramm gehörten auch beliebte Panoramen vom Rhein, darunter die erste von Friedrich Wilhelm Delkeskamp gezeichnete und gefaltete Rheinlauf-Karte überhaupt.
Märchen-Zensur
"Meister Floh"
In einem Bildchen des Illustratoren Stefan Mart setzt ein Floh seinem Freund Peregrinus Tyß ein ‚Gedankenmikroskop’ ins Auge. Ein wirres Märchen-Schicksal verbindet den langbeinigen Parasiten mit diesem Menschen, der mittels Zauberglas den Leuten „durch das Gehirn schauen“, aber dabei vor allem sich selbst kennenlernen kann. Die Fabel erdachte der realistische Fantast E.T.A. Hoffmann, der einst in seiner Berliner Zeit unterhaltende Floh-Dompteure und ihre zierlich exerzierenden Insekten auf den Straßen erlebte. Vor der Lektüre muss man wissen: Die handelnden Personen um den Frankfurter Tyß besitzen zwei oder drei Existenzen und agieren in aufgehobener Zeitdauer. Simultan erscheinen sie in Vergangenheit und Gegenwart und dort ist das Einfallstor für alle Einfälle und Unmöglichkeiten. Die Liebestollheit für ein bildhübsches Frauenzimmer – die Prinzessin Gamaheh, alias Aline, alias Dörtje Elverdink – treibt das komplexe Geschehen mannigfaltiger Beziehungen an, in das Tyß verwickelt wird. Die Schöne ist hinter Meister Floh her, der für die Suche nach einem magischen Karfunkel eine wichtige Rolle spielt. Das hochgebildete, kultivierte Insekt, das wie alle Tiere in Hoffmanns Werk einen Ehrenplatz einnimmt, erkennt in dem anfangs scheuen Tyß den Zielpunkt der ganzen Geschichte. Er hilft ihm aus verschlossener Persönlichkeit heraus, hinein in eine überirdische Traumwelt. Tyß selbst ist der Karfunkel und - man wird den Eindruck nicht los - das Alter ego von Hoffmann.